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Vertrag
der Freien Hansestadt Bremen
mit den Evangelischen Kirchen in Bremen

vom 31. Oktober 2001

(GVM 2002 Nr. 1 S. 22)

Die Freie Hansestadt Bremen, vertreten durch den Präsidenten des Senats,
und
die Bremische Evangelische Kirche, die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, die Evangelisch-reformierte Kirche (Synode ev.-ref. Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland) – nachfolgend „Die Kirchen“ –, jeweils vertreten durch ihre kirchenordnungsmäßigen Vertreter,
haben
geleitet von dem Wunsche, das freundschaftliche Verhältnis zwischen der Freien Hansestadt Bremen und den Kirchen zu festigen und zu fördern,
in Würdigung der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantierten freiheitlichen Ordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche sowie unter Wahrung der Eigenständigkeit und der Rechte der Kirchen und
im Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die Bevölkerung der Freien Hansestadt Bremen sowie in Respektierung des Öffentlichkeitsauftrages der Kirchen
Folgendes vereinbart:
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Artikel 1
Glaubensfreiheit

( 1 ) Die Freie Hansestadt Bremen gewährt der Freiheit, den evangelischen Glauben zu bekennen und auszuüben, den gesetzlichen Schutz.
( 2 ) Die Kirchen ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig im Rahmen des für alle geltenden Gesetzes.
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Artikel 2
Zusammenwirken

( 1 ) Zur Klärung von Fragen, die das Verhältnis von Staat und Kirche betreffen, finden regelmäßige Gespräche zwischen der Landesregierung und dem Kirchenausschuss der Bremischen Evangelischen Kirche statt; die Kirchen stimmen sich ab, um ihre Interessen gegenüber der Freien Hansestadt Bremen einheitlich zu vertreten.
( 2 ) Bei Rechtsetzungsvorhaben und Programmen, die kirchliche Belange berühren, sind die Kirchen angemessen zu berücksichtigen.
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Artikel 3
Unterricht in Biblischer Geschichte

( 1 ) Der Unterricht in Biblischer Geschichte an allgemeinbildenden öffentlichen Schulen (Gemeinschaftsschulen) ist ein bekenntnismäßig nicht gebundener Unterricht auf allgemein christlicher Grundlage. Die Freie Hansestadt Bremen erfüllt die ihr auf Grund Artikel 32 Landesverfassung1# obliegenden Verpflichtungen in der ihr nach der Verfassung möglichen Weise.
( 2 ) Der Bremischen Evangelischen Kirche wird Gelegenheit gegeben, zu den Lehrplänen für den Unterricht in Biblischer Geschichte Stellung zu nehmen.
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Artikel 4
Jugendarbeit und Erwachsenenbildung

( 1 ) Der Staat gewährt der Jugendarbeit der Kirchen Schutz und Förderung. Die Kirchen nehmen in Erfüllung ihres Auftrages Aufgaben als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe im Rahmen der Gesetze wahr.
( 2 ) Die Kirchen nehmen mit eigenen Einrichtungen an der Erwachsenenbildung teil. Diese werden im Rahmen der geltenden Bestimmungen in die finanzielle Förderung der Erwachsenenbildung durch die Freie Hansestadt Bremen einbezogen.
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Artikel 5
Kirchliches Eigentum

( 1 ) Das Eigentum und andere Vermögensrechte der Kirchen und ihrer Kirchengemeinden sowie ihrer Anstalten, Stiftungen, Verbände und Einrichtungen werden im Umfang des Artikels 140 des Grundgesetzes2# in Verbindung mit Artikel 138 Abs. 2 der Deutschen Verfassung vom 11. August 19193# gewährleistet.
( 2 ) Im Rahmen der allgemeinen Gesetze wird die Freie Hansestadt Bremen bei der Anwendung enteignungsrechtlicher Vorschriften auf kirchliche Belange Rücksicht nehmen und im Falle einer Anwendung bei der Beschaffung gleichwertiger Ersatzgrundstücke Hilfe leisten.
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Artikel 6
Körperschaftsrechte

( 1 ) Die Kirchen und ihre Kirchengemeinden sowie die aus ihnen gebildeten Verbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts; ihr Dienst ist öffentlicher Dienst eigener Art.
( 2 ) Die Kirchen üben im Rahmen der geltenden Gesetze die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen aus.
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Artikel 7
Denkmalpflege

( 1 ) Die Freie Hansestadt Bremen und die Kirchen bekennen sich zu ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Schutz und den Erhalt der kirchlichen Kulturdenkmale.
( 2 ) Die Kirchen verpflichten sich, ihre Kulturdenkmale im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten, zu pflegen und nach Möglichkeit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Denkmalschutz- und Denkmalfachbehörden haben bei kirchlichen Kulturdenkmalen, die dem Gottesdienst oder sonstigen kirchlichen Handlungen zu dienen bestimmt sind, die von den Kirchen und ihren Kirchengemeinden festgestellten Belange der Religionsausübung im Rahmen des Bremischen Denkmalschutzgesetzes zu beachten.
( 3 ) Die Freie Hansestadt Bremen erkennt die Bedeutung der kirchlichen Kulturdenkmale, insbesondere der Kirchen der Altstadtgemeinden, für die Stadtgemeinden an und trägt zur Erhaltung und Pflege dieser Denkmale nach Maßgabe der Gesetze und im Rahmen der ihr für diese Aufgabe zur Verfügung stehenden Mittel bei. Um denkmalpflegerisch begründete Fördermittel werden sich die Freie Hansestadt Bremen, die Kirchen und die Kirchengemeinden auch überörtlich bemühen.
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Artikel 8
Friedhöfe

( 1 ) Die kirchlichen Friedhöfe genießen den gleichen Schutz wie die kommunalen Friedhöfe.
( 2 ) Die Kirchengemeinden haben das Recht, im Rahmen der Gesetze und der Gesamtversorgung der Stadtgemeinden mit Friedhofsflächen neue Friedhöfe für ihre Gemeindeglieder anzulegen und bestehende zu erweitern.
( 3 ) Die Kirchengemeinden regeln im Rahmen der Gesetze die Benutzung ihrer Friedhöfe in eigener Verantwortung.
( 4 ) Die Kirchen haben das Recht, auf öffentlichen Friedhöfen Gottesdienste und Andachten zu halten.
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Artikel 9
Seelsorge in besonderen Einrichtungen

Die Freie Hansestadt Bremen unterstützt die Kirchen, in öffentlichen Krankenhäusern, Heimen, Justizvollzugsanstalten und ähnlichen öffentlichen Einrichtungen sowie bei der Polizei unter Berücksichtigung der dienstlichen Belange und im Rahmen der räumlichen Möglichkeiten Gottesdienste und religiöse Veranstaltungen abzuhalten sowie seelsorgerlich tätig zu werden.
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Artikel 10
Lehramtsstudiengang Religionspädagogik an der Universität Bremen

Für den Lehramtsstudiengang Religionspädagogik an der Universität Bremen wird bei Entscheidungen über die fachspezifischen Prüfungsanforderungen für das Fach Religionskunde im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an öffentlichen Schulen der Bremischen Evangelischen Kirche Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Artikel 11
Studiengang Kirchenmusik an der Hochschule für Künste

( 1 ) Die Freie Hansestadt Bremen gewährleistet die Fortführung des Studienganges Kirchenmusik an der Hochschule für Künste, solange sich die Bremische Evangelische Kirche an der Finanzierung des Studienganges in angemessener Weise beteiligt.
( 2 ) Unter Voraussetzung einer angemessenen finanziellen Beteiligung der Bremischen Evangelischen Kirche am Studiengang Kirchenmusik werden Professoren und Professorinnen für den Studiengang Kirchenmusik nach den Bestimmungen des Bremischen Hochschulgesetzes im Benehmen mit der Bremischen Evangelischen Kirche berufen. Entsprechendes gilt bei der Bestellung von Honorarprofessoren und Honorarprofessorinnen und bei der Verleihung der Bezeichnung „Professor“ sowie bei der erstmaligen Erteilung von Lehraufträgen.
( 3 ) Der Vertrag der Freien Hansestadt Bremen mit der Hochschule für Künste und der Bremischen Evangelischen Kirche bleibt unberührt.
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Artikel 12
Meldewesen

( 1 ) Den Kirchen werden im Rahmen der geltenden Gesetze die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Daten aus dem Melderegister übermittelt.
( 2 ) Die Datenübermittlung erfolgt gebührenfrei.
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Artikel 13
Kirchensteuerrecht

( 1 ) Die Kirchen sind berechtigt, nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften Kirchensteuern zu erheben und dafür eine eigene Kirchensteuerordnung zu erlassen.
( 2 ) Für die Bemessung der Kirchensteuer vom Einkommen einigen sich die evangelischen Kirchen im Gebiet der Freien Hansestadt Bremen, deren Steuern von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, auf einheitliche Steuersätze.
( 3 ) Die Kirchensteuerordnung einschließlich ihrer Änderungen und Ergänzungen sowie die Beschlüsse über die Kirchensteuersätze bedürfen staatlicher Genehmigung.
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Artikel 14
Kirchensteuerverwaltung

( 1 ) Der Senator für Finanzen hat auf Antrag der Kirchen die Festsetzung und Erhebung der Kirchensteuer vom Einkommen und des besonderen Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe den Landesfinanzbehörden zu übertragen, solange die Kirchen die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen und der Freien Hansestadt Bremen für die Verwaltung eine mit dem Senator für Finanzen zu vereinbarende angemessene Vergütung zahlen.
( 2 ) Im Rahmen der geltenden Bestimmungen sind die Finanzämter verpflichtet, den Kirchen in allen Kirchensteuerangelegenheiten aus den vorhandenen Unterlagen und unter Berücksichtigung des Datenschutzes Auskunft zu geben. Die Kirchen wahren das Steuergeheimnis.
( 3 ) Die Vollstreckung der Kirchensteuerbescheide obliegt den Finanzämtern. Sie unterbleibt, wenn die Kirchen in besonders begründeten Einzelfällen darauf verzichten.
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Artikel 15
Sammlungswesen

( 1 ) Die Kirchen und ihre Kirchengemeinden können nach Maßgabe des Bremischen Sammlungsgesetzes Spenden und andere freiwillige Leistungen für kirchliche Zwecke erbitten.
( 2 ) Die Kirchen und ihre Kirchengemeinden können mit staatlicher Genehmigung Haus- und Straßensammlungen für kirchliche Zwecke durchführen.
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Artikel 16
Gebührenbefreiung

Auf Landesrecht beruhende Gebührenbefreiungen für das Land gelten auch für die Kirchen und ihre Kirchengemeinden sowie ihre öffentlich-rechtlichen Verbände, Anstalten und Stiftungen.
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Artikel 17
Tageseinrichtungen für Kinder

( 1 ) Die Kirchengemeinden haben das Recht, Tageseinrichtungen für Kinder zu betreiben. Die Freie Hansestadt Bremen und die Kirchen arbeiten zum Wohl junger Menschen und ihrer Familien partnerschaftlich zusammen. Nach Maßgabe der Gesetze soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen, soweit geeignete Einrichtungen von den Kirchengemeinden betrieben oder rechtzeitig geschaffen werden können.
( 2 ) Die Freie Hansestadt Bremen beteiligt sich nach Maßgabe der geltenden Gesetze an der Förderung dieser Einrichtungen. Näheres kann durch besondere Vereinbarung geregelt werden.
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Artikel 18
Diakonische Einrichtungen

( 1 ) Die Kirchen und ihre Kirchengemeinden sowie ihre Diakonischen Werke und deren Mitgliedseinrichtungen haben das Recht, im Sozial- und Gesundheitswesen eigene Einrichtungen und Dienste für die Betreuung und Beratung zu unterhalten. Nach Maßgabe der Gesetze sollen die öffentlichen Träger der Wohlfahrtspflege von eigenen Maßnahmen absehen, soweit geeignete Einrichtungen von den Kirchen oder ihren Kirchengemeinden oder ihren Diakonischen Werken oder deren Mitgliedseinrichtungen betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können.
( 2 ) Die kirchlichen und die öffentlichen Träger der Wohlfahrtspflege arbeiten partnerschaftlich zusammen. Die Förderung dieser Einrichtungen erfolgt nach der Maßgabe der Gesetze.
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Artikel 19
Feiertagsschutz

Der gesetzliche Schutz der Sonntage, der staatlich anerkannten Feiertage und der kirchlichen Feiertage wird gewährleistet.
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Artikel 20
Seelsorgegeheimnis

Geistliche, ihre Gehilfen und die Personen, die zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen, sind auch in Verfahren, die dem Landesrecht unterliegen, berechtigt, das Zeugnis über dasjenige zu verweigern, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorgende anvertraut worden oder bekannt geworden ist.
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Artikel 21
Rundfunk

( 1 ) Die Freie Hansestadt Bremen setzt sich dafür ein, dass den Kirchen angemessene Sendezeiten für Zwecke der Verkündigung und der Seelsorge sowie für sonstige religiöse Sendungen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und bei den privaten Rundfunkveranstaltern eingeräumt werden. In den Aufsichtsgremien sind die Kirchen nach Maßgabe der Gesetze vertreten.
( 2 ) Das Recht der Kirchen, privaten Rundfunk nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen zu veranstalten oder sich an den Rundfunkveranstaltern des privaten Rechts zu beteiligen, bleibt unberührt.
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Artikel 22
Freundschaftsklausel

( 1 ) Die Vertragsparteien werden zwischen ihnen etwa bestehende Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung dieses Vertrages auf freundschaftliche Weise beilegen.
( 2 ) Die Vertragsparteien sind sich einig, dass dieser Vertrag durch einen neuen Vertrag ergänzt oder ersetzt werden kann. Haben sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit dem Abschluss des Vertrages so wesentlich verändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen Regelung nicht zumutbar erscheint, so werden die Vertragsparteien in Verhandlungen über eine Anpassung des Vertrages eintreten.
( 3 ) Sollte die Freie Hansestadt Bremen in Verträgen mit anderen vergleichbaren Religionsgemeinschaften über diesen Vertrag hinausgehende Rechte und Leistungen gewähren, werden die Vertragsparteien gemeinsam prüfen, ob wegen des Grundsatzes der Parität Änderungen dieses Vertrages notwendig sind.
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Artikel 23
Inkrafttreten

Dieser Vertrag bedarf der Zustimmung der Bremischen Bürgerschaft, des Kirchentages der Bremischen Evangelischen Kirche und der Landessynode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und der Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode ev.-ref. Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland). Er tritt mit dem Austausch der Mitteilungen über die Zustimmung in Kraft. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird im Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen bekannt gemacht.
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Artikel 24
Schlussprotokoll

Bestandteil dieses Vertrages sind folgende Protokollerklärungen:
Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers nimmt die Sonderstellung des Unterrichts in Biblischer Geschichte in der Freien Hansestadt Bremen zur Kenntnis. Sie hält dessen ungeachtet daran fest, dass das Zusammenwirken von Staat und Kirche im Schulwesen die Erteilung des bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts nach Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz4# als ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 141 Grundgesetz5# gebietet.
Hierzu wird auf Artikel 22 Absatz 2 Satz 2 hingewiesen.

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1 ↑ Nr. 1.620.
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2 ↑ Nr. 1.610.
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3 ↑ Nr. 1.611.
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4 ↑ Nr. 1.610.
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5 ↑ Nr. 1.610.